Traditionen wollen gepflegt werden. Eine der Traditionen in unserem Verein ist es, einmal im Jahr nach Slowenien in das wunderschöne Celje zu fahren, um dort ein Wochenende lang mit Karateka aus halb Europa gemeinsam zu trainieren. Es geht eben nicht immer nur ums Training, sondern auch um das Miteinander, das Soziale, die Gemeinschaft. Also sind drei Fujinaga-Dojo-Berlin-Mitglieder nach Celje zum Gasshuku gereist.
Wie auch schon letztes Jahr reiste ein dreiköpfiges Instruktor-Team aus dem Honbu-Dojo an. Nemoto Sensei, Hakizume Sensei und Hirose Sensei haben uns drei Tage lang in sechs Trainingseinheiten gezeigt, wie Hüfte, Beine und Arme korrekt einzusetzen sind, um den maximalen Effekt zu erzielen.

So startete der Freitag mit vermeintlich einfachen Übungen im Stand bzw. mit maximal einem Schritt. Das ist auch eine dieser Traditionen, die gepflegt werden sollten. Auch wenn dort eine dreistellige Anzahl an Schwarzgurten steht, fängt man mit den Grundlagen an. So wurde das Training nach und nach aufgebaut und am Ende stand ein Sanbon-Kumite (3-Schritt-Kampf), der in seiner Geschwindigkeit und Dynamik deutlich näher am Freikampf war, als man das vielleicht vermutet. Jedenfalls bei den Senseis. Wir anderen müssen wohl zu Hause in unseren Dojos noch ein wenig üben.
In der zweiten Einheit wurden die Gruppen nach Graduierung aufgeteilt. Jede Gruppe hat sich eine Stunde lang mit maximal zwei Katas beschäftigt. Die Gruppe mit Sho- und Nidan durfte unter Anleitung von Hakizume Sensei Empi und Jion üben. Im Anschluss an unser Bemühen hat uns Hakizume Sensei noch eindrucksvoll demonstriert, wie der amtierende Kata-Champion eben jene Katas ausführt. Dieses Maß an Präzision und Synchronität in den Bewegungen wird für die meisten von uns unerreichbar bleiben. Trotzdem gilt es, danach zu streben und stets weiter zu üben.
Am Abend fand traditionell das Abendessen nahe der Burg statt. Allein für die Aussicht lohnt es sich jedes Jahr wieder. Dieses Jahr hat sich Branko Gabrovec (Chef der JKA Slowenien) bei all den Leuten bedankt, die jedes Jahr teils weite Wege auf sich nehmen, um am Gasshuku teilzunehmen. Er betonte auch, dass es in Slowenien durchaus üblich ist, diese gewachsenen Freundschaften als Familie zu bezeichnen und wahrzunehmen. Das galt natürlich besonders für die Senseis, die alle nicht zum ersten Mal in Celje waren und nun Teil der Familie sind.



Wer nun glaubt, dass es deshalb am letzten Tag ein ruhiges familiäres Training zum Ausklang gab, irrte sich gewaltig. Die Oberschenkel waren innerhalb kürzester Zeit auf Betriebstemperatur und meldeten deutlich, dass die letzten zwei Tage bereits sehr anstrengend waren. Es half aber nichts – wieder Standübungen. Dieses Mal vom Zenkutsu-Dachi in den Kokutsu-Dachi im 90°-Winkel ohne dabei das Standbein zu bewegen. Nachdem diese Art der Übung überstanden waren, ging es direkt weiter mit Kumite-Übungen und zum Schluss der ersten Einheit noch einmal Kata. Für die Schwarzgurte hieß das Gojushiho-Sho. Nemoto Sensei hat für jede Sequenz die Schwerpunkte erklärt und demonstriert und wir durften uns direkt in der Umsetzung versuchen.
Nach der ersten Trainingseinheit wurde die Halle merklich leerer. Auch das ist so eine der Traditionen. Einerseits haben die Farbgurte wirklich Feierabend und andererseits haben einige Teilnehmerinnen und Teilnehmer einen weiten Heimweg und fahren deshalb bereits nach der ersten Einheit gen Heimat. Üblicherweise bedeutet das für die verbliebenen Karateka mehr Platz für die abschließenden und etwas freieren Kumiteübungen. So auch dieses Mal. Zur Überraschung der meisten noch Anwesenden sollten wir uns nicht zu zweit sondern zu dritt zusammenfinden. Während sich zwei Leute zum Uchikomi gegenüberstanden, hatte die dritte Person die Aufgabe das Startsignal zu geben und dann zu entscheiden, wer von beiden schneller war, also einen Punkt in einem Wettkampf bekommen hätte. Diese Übungsform wird sich sicherlich auch bei uns im Training wiederfinden.
Nach dieser letzten Trainingseinheit sind wir auf dem Weg zurück nach Hause – den Kopf voller Inspiration und die Muskeln voller Schmerzen. Wir freuen uns auf das nächste Jahr, wenn Traditionen gepflegt werden.
