Vom 14. bis 16. März 2025 kamen Karateka aus Deutschland und von weiter her in Düsseldorf zusammen, um bei Okuma Sensei und Igarashi Sensei zu trainieren. Würde man das Konzept des Lehrgangs kurz zusammenfassen wollen, könnte man sagen: „Okuma Sensei hat uns gezeigt, was wir trainieren sollten und wie es funktioniert, während Igarashi Sensei eindeutig die Aufgabe hatte, uns zu zeigen, mit welcher Intensität wir trainieren sollten.“

Die Gruppe befreundeter Karateka aus Berlin und Leipzig mit Okuma Sensei und Igarashi Sensei

Aber der Reihe nach.

Am Freitag ging es in kleinerer Halle und dementsprechend kleinerer Runde los und Igarashi Sensei hat uns gezeigt, womit wir eigentlich angreifen. Weder Hand noch Fuß sind essenziell beim Angriff. Das mag zunächst etwas abwegig wirken. Wir verwenden so viel Zeit darauf, unsere Fauststöße, Schläge und Tritte so präzise und so schnell wie möglich zu machen, aber der eigentlich Angriff wird damit gar nicht ausgeführt. Stattdessen greifen wir mit dem ganzen Körper an. Die Faust ist dann nur das, was den Gegner (zuerst) trifft. Igarashi Sensei wurde dabei nicht müde zu betonen, wie wichtig das Standbein (Jiku-ashi) ist und dass wir das besonders trainieren müssen. Ein Teil dieses besonderen Trainings war dann die Taikyoku Shodan – mit Kniebeugen vor jedem Tsuki. Nach der ersten Stunde waren demnach alle Teilnehmer bereits gut warm und halbwegs erschöpft.

Okuma Sensei übernahm nach einer kurzen Pause das Training und kündigte an, dass wir mit Heian Shodan weitermachen würden. Mit einem verschmitzten Gesichtsausdruck fügte er hinzu: „Bedauerlicherweise ohne Kniebeugen.“

Okuma Sensei neigt dazu, sein Training durch vereinzelte scherzhafte Worte und Anmerkungen aufzulockern. Diese Art sollte einen jedoch nicht dazu veranlassen, das Training zu unterschätzen. Wir haben viel darüber gelernt, was uns die Katas lehren können, wenn wir sie nur genau betrachten und natürlich oft genug üben. Am Freitag waren das vor allem die Hebel in der Nijushiho.

Am Samstag war die Halle deutlich größer und voller. Die Gruppen wurden getrennt und Okuma Sensei übernahm die erste Einheit für die Oberstufe/Schwarzgurte. Es ging direkt mit Bassai-Dai los, nachdem er sich vergewisserte, dass alle die Kata beherrschten. Auf die Bestätigung durch lautes „OSS“ folgte wieder dieser verschmitzte Gesichtsausdruck mit dem Kommentar „We will see“. Und wir sahen. Der Ablauf saß bei allen und wir konnten ohne große Erklärungen in die Anwendung übergehen. Für diese hat sich Okuma Sensei die ersten zwei Sequenzen rausgesucht und die vier Blöcke als zwei Doppelblöcke interpretiert. Es folgten Erklärungen zur Sinnhaftigkeit von Doppelblöcken und Partnerübungen. Am Ende lernt man eben doch mit dem Körper am besten. Bevor man sich aber in die Partnerübung stürzt, sollte man sich vergewissern, auch wirklich alles mit den Augen erfasst zu haben. Genaues abgucken der Bewegungen und nachmachen ist wichtig. Der japanische Begriff ist „mane suru“ – „Die Bewegungen des Meisters genau nachmachen.“ Obwohl Lehrmeister heutzutage auch reden und erklären und nicht wie vor 100 Jahren nur zeigen, bleibt die visuelle Wahrnehmung wichtig. Nicht alles kann man in Worte fassen und jedes kleinste Detail erklären. Auch die ersten Techniken der Kata Jitte nutzte Okuma Sensei, um das Konzept Doppelblöcke zu verdeutlichen.
Nach einer Stunde Training wurden mit dem Hinweis entlassen, dass das zweite Training garantiert körperlich anspruchsvoller werden würde als das erste.

Die zweite Einheit übernahm wieder Igarashi Sensei. Okuma Sensei hatte nicht gelogen. Es ging zur Sache. Igarashi Sensei sprach davon, dass wir jetzt zur Erwärmung locker Kata machen würden und zwischendrin am Partner verschiedene Blöcke. Heian-Shodan bis Heian Godan und Tekki Shodan waren die Katas und nach einer halben Stunde waren wir alle warm und die Dogis bereits schweißnass. Damit war die Erwärmung abgeschlossen und wir haben das gleiche Programm noch einmal durchexerziert – dieses Mal aber nicht mehr locker, sondern mit voller Energie. Der Schwerpunkt lag auch hier immer wieder auf dem Angriff, also wirklich mit dem eigenen Körper anzugreifen.

Dogis hängen im Hotelzimmer zum Trocknen

Am Sonntag wiederholte sich die Dynamik der letzten zwei Tage. Okuma Sensei forderte uns mit Konzepten des Blockens abseits des Üblichen und brachte damit auch gestandene Schwarzgurte ins Schwitzen. Kann man bei Hangetsu die ersten Bewegungen von Block und Konter in der Anwendung als gleichzeitige Bewegung sehen? Ja, das geht. Das wäre zwar nicht die erste und gängigste Interpretation, aber falsch ist es auch nicht. Um diesen Punkt zu unterstreichen, erklärte er „Shu Ha Ri“. Zu Beginn des eigenen (Karate-)Wegs übernimmt man, was einem der Sensei sagt („Shu“). Je mehr man lernt und je weiter man fortschreitet, desto mehr darf man andere Ansätze, bspw. von Lehrgängen, selbst ausprobieren („Ha“). Irgendwann löst man sich auch davon und entwickelt einen eigenen Bezug zu den Bewegungen in Kata und Kumite („Ri“). Bis dahin ist es aber ein langer Weg.

Zum Abschluss des Lehrgangs durften wir noch einmal staunen, welche Distanzen Igarashi Sensei überwinden kann. Der Weg zu diesen sportlichen Leistungen scheint aber viel über Kniebeuge zu funktionieren. Dieses Mal nicht in der Kata sondern in der Übung am Partner. Der Partner gab hierbei nur das Ziel während der Angreifer aus sehr großer Distanz treffen sollte. Um das Gefühl zu verinnerlichen, welches notwendig ist, um Distanzen länger als der eigene Schritt zu überwinden, durften wir aus den Kniebeugen heraus angreifen. Auch hier waren alle wieder sehr schnell sehr durchgeschwitzt.

Das Training ist aber nur das halbe Event. So lehrreich und anstrengend die Trainingseinheiten auch waren, ist das nicht alles. Es geht eben auch darum, Freunde zu treffen und vielleicht neue zu gewinnen. Sei es zwischen den Trainings oder im Anschluss beim Essen.

Trainingsgruppe mit neuen und alten Freunden beim Abendessen.

Es war ein gelungenes Gasshuku. Das nächste lässt nicht lange auf sich warten. Spätestens in zwei Jahren treffen wir uns mit Sicherheit in Düsseldorf wieder.